Von Heizdecken über Sehhilfen bis hin zu Vitaminpräparaten – die Verkaufsveranstaltungen auf Kaffeefahrten locken oftmals mit falschen Versprechungen.
Vor allem ältere Menschen versprechen sich von sogenannten Kaffeefahrten mehr Abwechslung im Alltag und nehmen dafür die damit verbundenen Werbeveranstaltungen in Kauf. Das Angebot klingt sehr verführerisch: eine Busreise mit Essen, Kaffee, Kuchen und kleinen Geschenken – und das alles zu einem überschaubaren Preis. Mit günstigen Ausflugsangeboten haben solche Einladungen jedoch selten etwas zu tun: Laut Europäischem Verbraucherzentrum Deutschland geht es den meisten Anbietern dieser Werbeveranstaltungen nur ums Geschäft.
Viele Ältere verbinden mit einer Kaffeefahrt das ursprüngliche Bild einer gemütlichen und klimatisierten Busfahrt unter munteren Gleichgesinnten, die im besten Falle von einem Akkordeonspieler und seinem Potpourri aus Gassenhauern begleitet wird. Da überrascht es nicht, dass Schätzungen zufolge rund fünf Millionen Menschen in Deutschland jährlich an solchen Kaffeefahrten teilnehmen. Der daraus erzielte Umsatz wird laut Recherchen der Sendung „ZDFzoom“ auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt.



Geködert werden sollen die betagten Fahrgäste durchgehend nach der gleichen Masche: In Zeitungsannoncen und Hauswurfsendungen wird mit niedrigen Preisen, kleinen Geschenken, leckerem Mittagessen und diversen Schnäppchen gelockt. Ernüchterung stellt sich jedoch ein, wenn während der Kaffeefahrt eine Verkaufsshow abgehalten wird, bei der Artikel von minderwertiger Qualität, wie Heizdecken mit eigener Powerbank, Kochtopf-Sets, Magnetsteine mit künstlicher Aura, Badezusätze oder Nahrungsergänzungsmittel angepriesen werden. Laut der Verbraucherzentrale sind diese meist sogar teurer als im Fachhandel. So gehen auf Druck des Verkaufspersonals viele der Fahrgäste finanzielle Verpflichtungen ein, die schnell ihr monatliches Einkommen überschreiten können.
WIDERRUFSRECHT AUSGEHEBELT
Es klingt nach gutem Service, die neue schmerzlindernde Matratze nicht nur zu liefern, sondern zugleich auszupacken und auf das Bett zu legen. Nicht selten ist dies aber nur ein möglicher dreister Versuch, das Widerrufsrecht auszuhebeln, das von Rechts wegen jedem mindestens 14 Tage lang zusteht. In einem konkreten Fall hatte ein Kaffeefahrtunternehmen mit genau diesem Serviceangebot gelockt, denn in der Widerrufsbelehrung des Unternehmens war die Rückgabe von geöffneter oder benutzter Ware explizit ausgeschlossen. Das Gericht sah den Fall zum Glück anders und gab der Unterlassungsklage der Verbraucherzentrale Brandenburg statt. (LG Berlin, Az.: 15 O 54/16)
Gelockt wird mit allem, was Geld bringt. So wurde schon von bizarren Wunderheiler-Angeboten berichtet, die allheilende Wunderheilmittel und Gespräch mit Heilern vor Ort versprachen. In solchen Fällen besteht zumindest die Gewissheit, dass sogar der Kaffeeklatsch mit einem Erzengel ein tiefes Loch in die Haushaltskasse reißen wird. Andere Versprechen hingegen liegen wortwörtlich schwer im Magen. So bestätigte der Bundesgerichtshof die Verurteilung eines Veranstalters wegen strafbarer Werbung, nachdem sich sein vermeintlich leckeres, reichhaltiges Mittagsmenü als eine Dose Erbsensuppe zum Mitnehmen entpuppt hatte. Eine ebenfalls versprochene Verlosung mit Topgewinnen hatte nie stattgefunden. (BGH 3 StR 11/02)


„Auch der Ausflug entspricht in den wenigsten Fällen den Erwartungen, selbst wenn der Preis auf den ersten Blick niedrig ist. Die von den Kaffeefahrt-Veranstaltern angepriesenen Ausflugsziele werden in der Regel überhaupt nicht angesteuert“, berichtet der ADAC. „Stattdessen landen die Teilnehmer*innen in abgelegenen Landgasthöfen und werden dort gezwungen, an einer mehrstündigen Verkaufsveranstaltung teilzunehmen“, berichtet der Automobilclub weiter. Dabei sind die Behörden in den meisten Fällen machtlos und können die Betrüger nur schwer fassen, denn die Veranstalter melden die Verkaufsveranstaltungen beim Gewerbeamt meist gar nicht an. Alles in allem wären das bereits genug Gründe, dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben. Zumindest hat die Regierung den betrügerischen Kaffeefahrten klare Grenzen gesetzt.
Bußgeld für Verkaufsmethoden
Seit 2022 müssen sich Anbieter solcher Kaffeefahrten an strengere Regeln halten: Durch die aktualisierte Fassung der Gewerbeordnung (§ 56a Absatz 4 GewO) aus dem Jahr 2022 sind die Veranstalter verpflichtet, bereits in der Werbeanzeige genaue Angaben darüber zu machen, welche Art von Waren angeboten wird und an welchem Ort die Veranstaltung stattfindet. Zudem müssen Name und Anschrift des Veranstalters, Kontaktmöglichkeiten per Telefon sowie E-Mail und Informationen zum Widerrufsrecht angegeben werden. Weiterhin ist der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln auf Tagesausflugsfahrten mit anschließender Verkaufsveranstaltung untersagt.
Das Verbot gilt auch für Medizinprodukte wie Kapseln mit Fett- oder Kohlenhydratblockern. Genauso dürfen Finanzprodukte, wie zum Beispiel Versicherungen und Bausparverträge, laut der Gesetzesänderung nicht mehr verkauft werden. Die Regierung begründet dies damit, dass „vor allem ältere[n] Menschen mit teilweise irreführenden und aggressiven Verkaufsmethoden vielfach überteuerte Produkte angeboten werden. Deshalb dient das Gesetz auch der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken“, so in einer offiziellen Mitteilung. Wer sich nicht daran hält, dem kann das teuer zu stehen kommen, denn der Bußgeldrahmen für entsprechende Vergehen wurde von 1.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben.

ERGÄNZUNGSMITTEL KÖNNEN SCHÄDLICH SEIN
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft warnte schon vor vier Jahren in einer Mitteilung vor einem übermäßigen Verzehr der angebotenen Nahrungsergänzungsmittel, da solche Präparate sich nachteilig auf die Gesundheit auswirken können. Es sei demnach verantwortungslos, gerade bei älteren Menschen die Sorge um die eigene Gesundheit auszunutzen. Dieses Modell dürfe keinen weiteren Erfolg haben – vor allem, um gesundheitliche Risiken zu minimieren. Daher rät auch der ADAC bei aller Art von Werbe- und Verkaufsfahrten zu erhöhter Wachsamkeit und Skepsis. Um die gesunde Skepsis zu fördern, hat die Seniorenagentur-Frankfurt die Empfehlungen der Polizeilichen Kriminalprävention und der Verbraucherzentrale zusammengetragen, damit die künftige Kaffeefahrt nicht zur Abzocke wird:
- Generell gilt: Je günstiger die Reise, desto spärlicher die touristischen Attraktionen. Im Zweifel lieber die Finger von der Kaffeefahrt lassen.
- Wer trotzdem mitfahren will: Niemand kann gezwungen werden, an einer Verkaufsveranstaltung teilzunehmen. In der Zeit kann man genauso gut etwas anderes unternehmen. Trotzdem besteht ein Anspruch auf die bezahlten Leistungen. Wer bezahlt hat, darf weder von der gebuchten Fahrt ausgeschlossen werden, noch darf die Verpflegung gestrichen werden.
- Nicht vergessen: Die auf der Werbeveranstaltung angebotenen Waren sind oftmals überteuert oder von minderwertiger Qualität. Darum nicht auf die unzähligen Versprechen des Veranstalters hereinfallen. Besondere Vorsicht ist bei „Sonderangeboten“ und „Spezialrabatten“ geboten.
- Auf die Seriosität des Anbieters achten: Auf der Einladung sollte die vollständige Adresse des Veranstalters stehen, eine Postfachadresse reicht später meist nicht aus, um die eigenen Rechte durchzusetzen. Tipp dazu: Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine bundesweite „Schwarze Liste“ (Stand: 2019) unseriöser Veranstalter von Kaffeefahrten zusammengestellt, die HIER abrufbar ist.
- Wem nach der Veranstaltung die Rückfahrt verweigert wird, sollte den Namen des Busunternehmens und der Busfahrerin oder des Busfahrers verlangen. Bei Weigerung sollte die Polizei eingeschaltet werden, die befugt ist, die Personalien zu erfassen. Zuvor versprochene Geschenke müssen nach Paragraf 661a BGB ausgegeben werden.
- Niemals zum Kauf drängen lassen! Nichts unterschreiben! Besonders dann nicht, wenn man den Artikel gar nicht haben will oder nicht genau verstanden hat, worum es bei der Unterschrift geht.
- Keine Anzahlung tätigen, selbst wenn diese als Verwaltungsgebühr deklariert ist! Wer den Kaufvertrag widerruft, bekommt sonst nur schwer sein Geld wieder zurück.
- Ein fehlendes oder falsches Datum im Kaufvertrag erschwert die Durchsetzung des Widerrufsrechts. Unbedingt eine Vertragsdurchschrift fordern, auf der Name und Anschrift des Vertragspartners deutlich lesbar sind.
- Die meisten Verträge, die auf Kaffeefahrten geschlossen werden, können ohne Begründung innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Das ist per E-Mail möglich, besser sind aber ein Fax mit Sendebericht oder ein Einwurfeinschreiben per Post.
- Ohne ordnungsgemäß dargelegte Widerrufsbelehrung seitens des Veranstalters verlängert sich die Kündigungsfrist deutlich. In einem solchen Fall gilt eine Frist von einem Jahr und 14 Tagen, in der man vom Vertrag zurücktreten kann.
- Bei Schwierigkeiten mit Käufen im EU-Ausland hilft das Europäische Verbraucherzentrum.
- Das deutsche Widerrufsrecht gilt auch für Kaffeefahrten ins Ausland, wenn in Deutschland dafür geworben wurde und Busfahrt, Veranstaltung und Verkauf von einem deutschen Unternehmen durchgeführt werden.
- Zum Schluss wird jedem angeraten, keine größeren Bargeldbeträge mit sich zu führen. Bargeld, Zahlungskarten und wichtige Papiere sollten immer in verschiedenen, verschließbaren Innentaschen der Kleidung und dicht am Körper getragen werden. Handtaschen sind dafür nicht geeignet. (DE/2025)
Titel-Foto: jivispo1989 / pixabay





