Am 01. Januar 2017 trat das Zweite Pflegestärkungsgesetz in Kraft. Rund fünf Milliarden Euro jährlich, finanziert durch die Erhöhung der Beitragssätze, stehen dann den Pflegekassen zusätzlich zur Verfügung – so hat es Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ausgerechnet. Gerade Pflegeversicherte, die mit geringeren Alltagseinschränkungen leben, aber bisher keiner Pflegestufe zugeordnet sind, könnten davon profitieren.
Ein neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit
Wer hat unter welchen Umständen Anspruch auf welche Leistungen aus der Pflegeversicherung? Zum 01. Januar 2017 ändert sich das Raster, nach dem der Unterstützungsbedarf ermittelt wird. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) begutachtet dann nicht mehr nur hauptsächlich körperbezogene Pflegemaßnahmen und den damit verbundenen Zeitaufwand, sondern den Grad der Selbstständigkeit im Alltag. Bei der Einschätzung des Pflegegrades kommt es auf die Selbstständigkeit in sechs Lebensbereichen, beziehungsweise Modulen, an.
Bewertung der Selbstständigkeit
Konkret betrachtet der MDK Alltagskompetenzen in folgenden Lebensbereichen und gewichtet diese für das Gesamtergebnis prozentual:
gewichtet in % | Alltagskompetenz | Beispiel | |
1. | 10 % | Mobilität | Treppensteigen, Fortbewegung in den eigenen vier Wänden |
2. | 15 % | Kognitive und kommunikative Fähigkeiten | Verstehen und Reden, Erkennen von Risiken |
3. | mit 2. | Psychische Problemlagen | Nächtliche Unruhe, Ängste und Aggressionen |
4. | 40 % | Selbstversorgung | Körperpflege, Ernährung |
5. | 20 % | Krankheitsbewältigung | Medikamenteneinnahme, Arztbesuche, Wundversorgung |
6. | 15% | Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte | Direkte Kontaktsuche zu Menschen, Skatrunde ohne Hilfe besuchen |
Darüber hinaus wird eine Begutachtung in zwei weiteren Modulen vorgenommen. Diese haben keinen Einfluss auf die Einstufung des Pflegegrades. Die Prüfergebnisse aus den beiden Modulen „Außerhäusliche Aktivitäten“ (zum Beispiel das selbständige Verlassen der Wohnung) und „Haushaltsführung“ (z.B. Müllentsorgung; Zubereitung einfacher Mahlzeiten) gehen nicht in die abschließende Bewertung der Pflegebedürftigkeit ein. Allgemein soll der Fokus bei Verordnungen stärker auf Vorbeugung und Rehabilitation liegen.
Fünf Pflegegrade statt drei Pflegestufen
Versicherte, die am 31.12. 2016 eine der bisherigen Pflegestufen zugeordnet sind, werden am 01. Januar 2017 automatisch in die neuen Pflegegrade übergeleitet. Dazu ist keine neue Beantragung oder Begutachtung notwendig, Betroffene erhalten lediglich einen neuen Pflegebescheid. Dabei gilt: Pflegebedürftige mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen erhalten anstelle der bisherigen Pflegestufe den nächsthöheren Pflegegrad. Pflegebedürftige, bei denen eine eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt wurde, werden zwei Pflegegrade höher eingestuft.
Bis 31. Dezember 2016 | Ab 01. Januar 2017 |
Pflegestufe 0 mit eingeschränkter AlltagskompetenzPflegestufe I |
Pflegegrad 2 |
Pflegestufe I mit eingeschränkter AlltagskompetenzPflegestufe II |
Pflegegrad 3 |
Pflegestufe II mit eingeschränkter AlltagskompetenzPflegestufe III |
Pflegegrad 4 |
Pflegestufe III mit eingeschränkter AlltagskompetenzPflegestufe III plus Härtefall und/oder eingeschränkter Alltagskompetenz |
Pflegegrad 5 |
Neue Ansprüche: Die Beantragung eines Pflegegrades kann sich jetzt lohnen
Mit dem neuen Pflegegrad 1 werden Einschränkungen aufgegriffen und berücksichtigt, die bisher in der Begutachtung des MDK keine Rolle spielten. Geringfügig Hilfsbedürftige, die nach dem alten System keine Pflegestufe erhielten könnten jetzt Anspruch aus Leistungen der Pflegekasse haben. Diese Leistungen erhalten Sie, wenn der/die Gutachter*in „eine geringe Beeinträchtigung“ der Selbstständigkeit feststellt. Bewertet wird nach einem Punktesystem von 0 bis 100 Punkten. Pflegeversicherte mit anerkanntem Pflegegrad 1 haben Anspruch auf den neuen vereinheitlichten „Entlastungsbeitrag“ von monatlich 125 Euro für Betreuungs- und Entlastungsleistungen der Pflegekasse. Damit können Sie zum Beispiel an einer Gruppenaktivität teilnehmen, die geistig und körperlich aktiviert; eine Alltagshelfer*in für Gespräche oder Spaziergänge, eine Einkaufshilfe bezahlen oder eine Haushaltshilfe beauftragen, die beschwerliche Aufgaben wie Müllentsorgung oder Gardinenwäsche erledigt.
Eine erste Einschätzung, welche Einschränkungen der Kompetenzen zu welchem Pflegegrad führen können Sie kostenlos mithilfe des PflegegradRechners auf der Website pflege.de erhalten. Erst die Pflegekasse legt aber den tatsächlichen Pflegegrad fest.
Informationen und Beratung
Noch Fragen?
Jeder Versicherte, Angehörige oder Lebenspartner hat einen umfassenden Anspruch auf Beratung durch seine Pflegekasse. Dieser Anspruch ist unabhängig von der Frage, ob bereits ein Antrag auf Begutachtung gestellt wurde oder nicht. Dies betrifft nicht nur die Leistungen der Pflegeversicherung, sondern auch Leistungen und Hilfen anderer Träger, zum Beispiel ehrenamtlicher Träger und des Sozialamtes. Die Beratung ist neutral durchzuführen.
Bürgertelefon zur Kranken- und Pflegeversicherung des Bundesministeriums für Gesundheit
Das Bürgertelefon vermittelt gesetzliche Grundlagen und klärt über mögliche gesetzliche Ansprüche auf. Außerdem können individuelle Probleme erörtert und Anregungen aufgenommen werden. Zudem vermittelt das Bürgertelefon Adressen und Ansprechpartner.
Das Bürgertelefon erreichen Sie Montag bis Donnerstag von 8 bis 18 Uhr, am Freitag von 8 bis 12 Uhr
Bürgertelefon zur Pflegeversicherung: 030/ 340 60 66 02
Pflegestützpunkt im Rathaus für Senior*inen
Hansaallee 150
60320 Frankfurt am Main
Telefon: 0800 / 5893659 kostenfrei
Telefax: 069 / 212 70712
E-Mail: pflegestuetzpunkt@frankfurt.de
UPD – Unabhängige Patientenberatung
Beratungsstelle Frankfurt am Main
60329 Frankfurt am Main
Taunusanlage 1
Tel.: 0800 / 011 77 22 (gebührenfrei aus allen Netzen)
Montag bis Freitag von 8.00 bis 22.00 Uhr
Samstag von 8.00 bis 18.00 Uhr.
Für Ihre Mitglieder bieten außerdem Beratung:
Sozialverband Deutschland
Konrad-Glatt-Straße 19
65929 Frankfurt am Main
Telefon: 069 / 30059748
Weiterführende Informationen:
Website des Bundesgesundheitsministeriums zum Pflegestärkungsgesetz
Gefördert aus Mitteln der Stadt und des Jobcenters Frankfurt am Main.