Zurück in die Zukunft

Die Präsenz für Teilnehmende an der Frankfurter Universität des dritten Lebensalters ist nach längerer Zeit wieder möglich. Ein Blick hinter die Kulissen dieser Bildungseinrichtung.

Wer die Mitteilung der Frankfurter Goethe-Universität Ende Oktober gelesen hatte, dachte sofort: Endlich wieder eine Lehrveranstaltung besuchen, die nicht vor dem Bildschirm stattfindet! Denn ab sofort können studierende Senior*innen an der Universität des dritten Lebensalters, kurz U3L, das Hörsaalzentrum in Bockenheim täglich sowie an den Wochenenden nutzen, lautet die frohe Botschaft. Auch stehe für die Veranstaltungen kurzfristig die Kapelle der Evangelischen Studierendengemeinde auf dem Campus zur Verfügung. Zur Erklärung: Die U3L ist eine selbstständige Institution an der Frankfurter Goethe-Universität mit einem eigenen Studienprogramm. Angesprochen sind insbesondere ältere Erwachsene, die sich in Seminaren, Vorlesungen, Arbeitsgruppen innerhalb eines akademischen Rahmens mit Fragen der Wissenschaft und Bildung auseinandersetzen und an der eigenen Weiterbildung arbeiten wollen.

Keine Prüfungen, keine Noten, kein Stress

Ein bestimmter formaler Bildungsabschluss, etwa das Abitur, wird an der U3L nicht verlangt. Und da es keine Prüfungen gibt, ist der Erwerb eines universitären Abschlusses im Rahmen der U3L auch nicht möglich, was unter den Gleichgesinnten nicht wirklich stört. Nice to have, aber nicht essenziell, was gut ankommt. Im Wintersemester 1982/83 gestartet, ist die Zahl der studierenden Senior*innen laut einer eigenen Studie von anfangs 150 auf mittlerweile rund 3.500 angestiegen. Versäumtes will eben nachgeholt werden. Dauerbrenner sind die Fächer Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie, die die U3L seit Jahren im Programm hat. Heißt: Statt Groschenromane lieber Schopenhauer, Kant, Hegel oder Heidegger, mit Abstecher zur römischen Geschichte über Rembrandts Maltechnik bis hin zu Altgriechisch und Latein. Hauptsache geistig beweglich bleiben. Und wer noch nicht soweit ist und mit den anspruchsvollen akademischen Arbeitsformen zunächst nicht richtig warm wird, kann entsprechende Einführungsveranstaltungen besuchen. Hier erwirbt der Einsteiger ein Grundverständnis von Wissenschaft und Kenntnisse der Methoden wissenschaftlicher Arbeit. Mehr geht kaum.

Online-Veranstaltungen sind gefragt

Noch vor Kurzem blieb den bildungshungrigen Älteren der Zutritt in die Uni-Räume verwehrt. Grund waren die coronabedingten Zugangsbeschränkungen, die die Hochschule zu Vorlesungsbeginn verhängt hat, um nach eigener Darstellung den Präsenz-Betrieb auf dem Campus in überschaubaren Dimensionen zu halten. Folgerichtig wurden die U3L-Veranstaltungen nur noch im Online-Modus durchgeführt. Mit hoher Akzeptanz, wie es scheint. Denn eine weitere Untersuchung unter den Studierenden, an der sich 57 Prozent der im Sommersemester 2021 Eingeschriebenen beteiligt haben, zeigt: Die Annahme digitaler Veranstaltungen ist überraschend hoch, man weiß vor allem die örtliche und zeitliche Flexibilität zu schätzen. Die Mehrheit der Befragten (61 Prozent) wünscht sich für die Zukunft beides: Digitale Veranstaltungen und Präsenzveranstaltungen.

Kraftakt Semesterstart

Letztere Angebote kann man derzeit an zwei Händen abzählen: „Von den ursprünglich 23 geplanten Präsenz-Angeboten werden wir voraussichtlich ein knappes Drittel realisieren können. Das sehe ich durchaus positiv als den Beginn einer Rückkehr zu mehr Präsenz in der Zukunft. Uns ist bewusst, dass nach drei Digitalsemestern und unter dem Druck einer weiterhin bestehenden pandemischen Situation der Semesterstart in Präsenz für die Goethe-Universität einen enormen Kraftakt darstellt. Umso mehr wissen wir das Bemühen, um eine Lösung zu schätzen, wie wir auch dankbar sind für die Unterstützung seitens der Goethe-Universität bei der Durchführung unseres digitalen Programms“, sagt Silvia Dabo-Cruz, Geschäftsstellenleiterin der U3L.

Von 30 bis 300 Euro pro Semester

Dass sich immer mehr ältere Erwachsene den Herausforderungen zwischen Hörsaal und Bibliothek stellen, weiß die U3L für sich zu nutzen. Die Generation 50plus kann eine lukrative Einnahmequelle sein. Der tagtägliche Weg in die Zukunft kostet je Semester 150 Euro und dürfte für die meisten Rentner*innen keine große finanzielle Hürde darstellen. Zudem besteht die Möglichkeit, die Gebühren nach einer Selbsteinschätzung der Einkommenssituation ohne Nachweis auf 110 Euro zu reduzieren. Zum Vergleich: An der Universität Kiel zahlen die älteren Mitstudierenden 30 Euro, in Leipzig 80 Euro, in Hannover 128 Euro, in Hamburg 130 Euro und an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität  sogar 300 Euro pro Semester, wenn sie dort Veranstaltungen mit insgesamt mehr als acht Semesterwochenstunden belegen. In Bayern müssen Seniorenstudierende zur Einschreibung außerdem ein Abiturzeugnis vorlegen, was wie in Frankfurt und in den meisten anderen Bundesländern nicht der Fall ist. Für diejenigen, die in Frankfurt eingeschrieben und in ihrer Mobilität aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt sind, dürften 110 Euro dennoch eine Stange Geld sein. Da sie als Studierende der U3L keine Angehörigen der Goethe-Universität sind, erhalten Sie auch kein Semesterticket, folglich auch keine Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV).

Gebildet, Ausdauer und Quote

Eine Frage bleibt noch: Wer sind die Studierenden der U3L eigentlich in persona? Klar ist, dass in der Hörsälen reichlich Lebenserfahrung sitzt, obwohl es kein Mindestalter für ein Studium an der U3L gibt. Laut einem Artikel der FAZ tragen die meisten eine Lesebrille, an der Garderobe hängen neben den Jacken viele Hüte. Kein Wunder, wenn das Durchschnittsalter der Einsteiger laut einer Erhebung bei 65 Jahren liegt. Viel der Student*innen verfügen über einen Hochschulabschluss, genauer gesagt über 40 Prozent. Der jüngste ist 40, der älteste Student 90 Jahre alt, was zeigt, dass die U3L für eine Menge der älteren Menschen Anlaufstelle ist, die ihre berufliche oder auch familiäre Phase bereits hinter sich gelassen haben. Als Hauptmotiv sehen viele den Wunsch, die Allgemeinbildung zu erweitern und dabei vor allem eigenen Bildungsinteressen nachzugehen. Gleichzeitig sehen die älteren Studierenden die Weiterbildung als eine Möglichkeit, ihre mentale Fitness zu erhalten, dicht gefolgt von dem Wunsch, auch andere Ansichten kennenzulernen. Dabei beweisen die Akteure im Alltag erstaunlich viel Kondition: Rund 47 Prozent sind mindestens seit elf, 20 Prozent bereits seit über 20 Semestern eingeschrieben. Quote? Übererfüllt! Seit geraumer Zeit beträgt das Geschlechterverhältnis kontinuierlich 60:40 zugunsten der Frauen. Selbst in dieser Disziplin ist von Ruhestand keine Spur zu sehen.

Service: Interessierte können das aktuelle Veranstaltungsverzeichnis (Wintersemester 2021-2022) als PDF-Datei (1,2 MB) hier herunterladen. Im Studienführer für behinderte Studierende der Goethe-Universität (PDF-Download hier, 688 KB) finden sich detaillierte Angaben zu den Veranstaltungsräumen, die mit Rollstuhl zu erreichen sind. (DE)

Kontakt:
Universität des 3. Lebensalters
Senckenberganlage 31
60325 Frankfurt am Main
Tel: 069 / 798 288 61
E-Mail: u3l@em.uni-frankfurt.de

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