Zocken gegen Demenz

Nicht erst seit der Corona Pandemie zeichnet sich immer stärker der Trend ab, dass immer mehr ältere Menschen gelegentlich oder regelmäßig Videospiele nutzen.


Mit ein Grund, warum Senior*innen stundenlang vor der Playstation, am PC oder an der Nintendo-Konsole sitzen, dürfte die demografische Entwicklung der Gesellschaft sein, schließlich sind viele Pioniere des Genres aus den Anfängen in den 70er und 80er Jahren zeit ihres Lebens ihrem Hobby treu geblieben. Dazu kommt die technische Entwicklung bei den sogenannten smarten Geräten wie Tablets oder Handys, welche längst auch bei Senioren Einzug gehalten haben und die Möglichkeit bieten, Spiele Apps kostenlos oder für einen geringen Betrag aus den jeweiligen App-Shops der Anbieter herunterzuladen. Das erleichtert enorm den Zugang zu den Spielen, brauchte man doch früher noch für einen Großteil einen leistungsstarken PC oder eine Spielekonsole.

Therapie trifft auf Freude: Kamera überträgt Bewegungen mithilfe der memoreBox

Zocken, was die Technik her gibt

Die Zeiten zu denen überwiegend Kinder und Jugendliche die größte Gruppe von Spieler*innen stellten und die übrigen Nutzer*innen von Videospielen eine oft belächelte Randgruppe darstellten, sind lange vorbei. Laut einer statistischen Erhebung der Internetplattform statista.com war der*die durchschnittliche Videospieler*in im Jahr 2020 37 Jahre alt. Mit stark steigender Tendenz. Der Videospielemarkt ist mittlerweile die umsatzstärkste Branche und hat die Filmindustrie inzwischen weit abgehängt. Von dieser Entwicklung profitieren zunehmend auch ältere Spieler*innen. Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum belegt, dass sich die Teilnehmer*innen welche regelmäßig Videospiele zocken, einen deutlich messbaren Lernvorteil etwa bei kognitiven Fähigkeiten, räumlichem Denken, Anwendung von Taktiken und der Verbesserung der Aufmerksamkeit erspielen. Doch was bedeutet das für ältere Spieler*innen? Der Vorteil für diese liegt nun darin, dass kognitiv herausfordernde Videospiele das Gedächtnis trainieren und damit teilweise sogar Bewegungsmangel kompensieren können. Seit geraumer Zeit gibt es auch Spiele, welche körperliche Bewegung unabdingbar voraussetzen.

Nintendo Wii (links) mit Remote (rechts) / wiki

Weltweit über 100 Millionen mal verkauft

Im Jahr 2006 gab es auf dem Videospielemarkt eine für damalige Verhältnisse revolutionäre Neuentwicklung. Die japanische Firma Nintendo präsentierte mit der „Wii“ eine Spielekonsole, deren Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz in einer innovativen, bisher in dieser Form nicht dagewesenen Bewegungssteuerung bestand. Mithilfe eines Controllers, der eher an eine herkömmliche TV-Fernbedienung erinnerte, konnten die Spieler Bewegungen ausführen, welche der eingebaute Sensor an die Konsole übertrug. So war es für die Spieler*innen möglich am Fernseher durch Nachahmung der Bewegungen eine virtuelle Partie Bowling oder Tennis zu spielen. Um die Möglichkeiten der neuen Konsole potentiellen Kunden eindringlich vorzuführen, wurde von Seiten des Herstellers den meisten Konsolen auch gleich eine Sportsimulation mit dem Namen Wii Sports beigelegt und die Vorteile in anschaulichen Werbespots angepriesen. Der Erfolg ließ schließlich nicht allzu lange auf sich warten. Bis heute verkaufte sich die Konsole weltweit über 100 Millionen mal und Nintendo erreichte mit ihrem familienfreundlichen Konzept Kundenschichten, die bisher für die Branche nicht erreichbar schienen. Denn die Konsole schaffte etwas, das zuvor keinem Hersteller von Spielekonsolen zuvor gelang: Die Wii lockte verschiedene Generationen gleichzeitig vor den Bildschirm und plötzlich war es möglich, dass Enkel zusammen mit ihren Großeltern gemeinsam an der Konsole spielten.

memoreCare Spielekonsole mit Gesundheitstrainings für Senior*innen

Pilotphase 2020 abgeschlossen

Eine Spielekonsole speziell auf die Bedürfnisse von Senior*innen abgestimmt entwickelte die Firma RetroBrain mit der memoreCare. RetroBrain entwickelte die Konsole im Rahmen einer vierjährigen Studie der Humboldt Universität Berlin in Kooperation mit der gesetzlichen Krankenversicherung BARMER. Die Pilotphase wurde 2020 erfolgreich abgeschlossen, der Einsatz der Konsolen fand in stationären Pflegeeinrichtungen im Großraum Hamburg statt. Das Besondere an der Konsole ist auch hier der Controller: Er erkennt die Bewegung der Spielenden über einen eingebauten Sensor und sendet die entsprechenden Signale an die Konsole. Auf diese Weise können auch bewegungseingeschränkte Senior*innen im Aufenthaltsraum einer Pflegeeinrichtung eine Partie Kegeln spielen.

Wilde Motorradfahrt: Videospiel von RetroBrain hilft Senioren

Auf Kosten der Krankenkassen

Selbst eine virtuelle Motorradfahrt ist so möglich. Noch sind Videospiele als therapeutisches Mittel gegen Isolation, Einsamkeit oder Bewegungsmangel speziell für ältere Menschen zumindest in Pflegeeinrichtungen die Ausnahme. Doch nach der erfolgreichen Testphase ist nun auch für andere interessierte Einrichtungen der Weg frei, auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen Konsolen von RetroBrain anzuschaffen.

Text: hsc /April 2022

Gefördert aus Mitteln der Stadt und des Jobcenters Frankfurt am Main.

 

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