Entlastungspaket – Ältere fallen durchs Netz
Steigenden Energiekosten und Nahrungsmittelpreise treffen viele Menschen in Deutschland hart. Gegensteuern will die Bundesregierung mit sogenannten Entlastungspaketen. Bei der Energiepauschale bleiben die Rentner*innen außen vor.
Vieles klingt durchdacht: Tankrabatt, 9-Euro-Ticket, höhere Pendlerpauschale, höhere Freibeträge, Zuschüsse für Wohngeldempfänger*innen, 100 Euro Kinderbonus, 200 Euro Hartz-4-Zuschuss und 300 Euro für alle einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige dank einer Energiepauschale, welche die Bundesregierung neben weiteren Entlastungen auf den Weg gebracht hat, um auch die explodierenden Energiepreise in Deutschland abfedern zu können. Soweit, so gut.
Dennoch scheinen die beiden Entlastungspakete, die in Koalitionsrunden geschnürt wurden, noch löchrig zu sein: Zu viele Menschen, die dringend Hilfe bräuchten, gehen leer aus. So auch viele Rentner*innen in Deutschland. Denn sie bekommen die Energiepauschale in Höhe von 300 Euro nicht, weil sie nicht erwerbstätig sind. Auch Studierende, Auszubildende und Bezieher von Kranken- oder Elterngeld gehen leer aus. Stattdessen wird die Energiepreispauschale selbst an Spitzenverdiener ausgezahlt, denen nach Steuerabzug noch knapp 182 Euro bleiben, hat der Steuerzahlerbund nachgerechnet.
Klage wegen Ungleichbehandlung

Dabei könnten viele Rentner*innen das Geld ebenfalls sehr gut gebrauchen. Die 74-jährige Gunhilde Köhler aus dem baden-württembergischen Pforzheim zum Beispiel. Sie will das so nicht hinnehmen und klagt gegen die Bundesregierung, berichtete die Zeitung Badische Neueste Nachrichten. Köhler will erwirken, dass auch Rentner*innen die Energiepauschale bekommen. Das Gericht in Karlsruhe bestätigte den Eingang der Klage, ob sie verhandelt wird, sei laut der Zeitung noch nicht sicher. Zumindest ist eins klar: Die Rentnerin muss wie viele andere auch die gestiegenen Preise aus dem bestreiten, was sie bislang hat und versuchen, für kommende Nachzahlungen zu sparen. Auch der Sozialverband VdK sieht Nachbesserungen an dem Entlastungspaket für Rentner*innen und hat ebenso eine Klage wegen „Ungleichbehandlung“ bei der Energiepauschale angekündigt.

Existenzbedrohend für Bezieher kleiner Renten
Gegen eine Pauschale für Rentner*innen könnte man argumentieren, dass die Rentenerhöhung im Juli 2022 erfreulich hoch ausfällt – im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent, so die aktuellen Zahlen. Die Erhöhung kompensiert aber gerade einmal die bis dahin zu erwartende Inflationsrate. „Eine Entlastung bei den Energiekosten muss es auch für Rentenempfänger geben, denn auch sie müssen heizen und einkaufen“, kritisiert der Vorsitzende der DBB Bundesseniorenvertretung, Dr. Horst Günther Klitzing, das beschlossene Energiepaket der Bundesregierung. Gerade für Bezieher*innen kleiner Renten und Pensionen, deren Alterseinkünfte knapp über der Grundsicherung lägen, sei die Kombination aus Inflation und steigenden Energie- und Lebensmittelkosten existenzbedrohend.

Auch fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass Verbesserungen so schnell wie möglich kommen sollen. „Die Rentner*innen sind von steigenden Energiepreisen und Inflation genauso betroffen wie alle anderen – deshalb ist unverständlich, dass sie die Energiepauschale von 300 Euro nicht erhalten. Hier muss nachgebessert werden“, sagt die frühere SPD-Generalsekretärin und neue DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi gegenüber der Süddeutschen Zeitung und stößt somit ins gleiche Horn wie die Seniorenvertretung des Deutschen Beamtenbundes. Bundeskanzler Olaf Scholz hat dagegen die Vorwürfe zurückgewiesen, Rentner*innen würden bei den Entlastungsmaßnahmen gegen die hohen Energiepreise vernachlässigt. „Übrigens profitieren auch die Rentnerinnen und Rentner von den Entlastungspaketen, bei den Stromrechnungen, vom Tankrabatt und dem 9-Euro-Ticket“, sagte der SPD-Politiker in einer Generaldebatte des Bundestags zum Etat 2022, berichtet das Handelsblatt. Immerhin: Laut der Pressekonferenz vom 02. Juni von Bundeskanzler Scholz, Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen (CDU) und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) habe man nach einer Besprechung mit den Regierungschef*innen der Länder über weitere Entlastungen gesprochen. Die Länder haben demnach den Bund aufgefordert, bei den Rentner*innen an Entlastungen zu denken, was bisher nicht in ausreichendem Maße erfolgt sei. Laut Olaf Scholz habe man die Situation unter anderem der Rentner*innen „ganz fest im Blick“.

Hin und Her um die Energiepauschale
Eindeutiger wird SPD-Kollege Rolf Mützenich, der zumindest weitere Unterstützungen für die Bürger*innen in Aussicht stellt: „Bei den Entlastungen wird es noch vor der Sommerpause weitere Entscheidungen geben“, so der Politiker in einem Interview mit dem Nachrichtenportal t-online. Auf die Frage, ob er für den Vorschlag aus der eigenen Partei sei, die Energiepauschale von 300 Euro auch Rentner*innen zu zahlen, sagte der Fraktionschef: „Das kann ich mir vorstellen. Aber das werden wir gemeinsam besprechen und entscheiden“. Entgegen anderslautenden Forderungen aus der Ampel-Koalition möchte die FDP an der bisherigen Beschränkung der Energiepauschale auf Berufstätige festhalten. „Eine Ausdehnung der Energiepauschale ist nicht angemessen“, so FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer gegenüber der Welt. Die Opposition ist dagegen geschlossen für eine Ausweitung. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) fordert ebenso in der Welt: „Die Energiepauschale muss auch Studenten, Rentnern und jungen Familien zugutekommen. Tank- und Heizkosten bleiben absehbar hoch. Da sind einmalig 300 Euro so oder so nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

Enkeltrick rettet Pauschale
Nachdem die Regierungskoalition im Finanzausschuss die mittlerweile doch sehr umstrittene Energiepreispauschale beschlossen hatte, konnte die CDU-Steuerexpertin Antje Tillmann einen legalen Weg entdecken, wie auch ältere Menschen an die 300 Euro Energiekostenzulage kommen können, berichtet Das Erste. Rentner*innen müssen dafür im laufenden Jahr eine bezahlte Arbeit aufnehmen. Allerdings sollte es kein Job in Vollzeit sein, sondern nur eine minimale Tätigkeit. Demnach sind all jene steuerpflichtigen Erwerbstätigen beim Energiebonus anspruchsberechtigt, denen an mindestens einem Tag im Veranlagungszeitraum 2022 Einnahmen zugeflossen sind. So reiche es aus, dass Rentner*innen einmal im Jahr eine Stunde auf seinen Enkel aufpasst und dafür von seinen Kindern Zwölf Euro Mindestlohn im Rahmen eines Minijobs oder aus selbstständiger Tätigkeit erhält. Im Anschluss gebe der*die Ruheständler*in diese Einkünfte in seiner Steuererklärung an und bekommt die Energiepreispauschale im Mai 2023 ausbezahlt. Für Rentner*innen sei es am einfachsten, ihre Tätigkeit in der Steuererklärung als „selbstständige Arbeit“ zu deklarieren. Der Nachweis der Lohnzahlung kann gegenüber den Finanzämtern beispielsweise mit dem Eingang des Geldes auf dem Konto erbracht werden. Dass ist der sicherste Nachweis dafür, dass die Arbeit tatsächlich ausgeführt worden ist. (DE)