Demenz: Versorgungsstudie gibt Anlass zur Hoffnung

Forscher*innen wollen die Kommunikation zwischen Ärzte*innen und Demenzkranken mithilfe einer Präferenz-Methode deutlich verbessern – um somit die Lebensqualität der betroffenen Patient*innen möglichst lange aufrecht zu erhalten.

Im Vordergrund steht die Persönlichkeit: Auch bei Menschen mit Demenz. Auch dann, wenn ihnen ihr Alltag infolge des geistigen Abbaus entglitten ist. Betroffene mit dem schicksalhaften Lauf dieser Krankheit brauchen allerdings nicht nur klare Strukturen, sondern eine funktionierende Interaktion zwischen Ihnen und den behandelnden Ärzt*innen. Denn, für demenziell Erkrankten kann die aktive Teilnahme an medizinischen, pflegerischen und versorgungsrelevanten Entscheidungen eine große Herausforderung darstellen. Die kognitiven Beeinträchtigungen führen dazu, dass komplexe Entscheidungsprozesse unter Berücksichtigung mehrerer Entscheidungskriterien nur noch bedingt möglich sind. Damit ihre Lebensqualität, also der Ausdruck ihrer Gesundheit, ihres Wohlbefindens und ihrer Lebensweise, nicht bedroht ist, sind betroffenen Patient*innen auf eine personenzentrierte Versorgung und Pflege angewiesen. Und genau an dieser Stelle setzt eine Untersuchung an, die Forscher*innen vom Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) am Doppelstandort in Rostock und Greifswald derzeit durchführen, heißt es in einer Mitteilung.

Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Autonomie

Die DZNE-Studie „PreDemCare“, die von der Frankfurter Hans und Ilse Breuer-Stiftung für drei Jahre gefördert wird, hat sich als Hauptziel gesetzt, die Versorgungspräferenzen von Menschen mit Demenz zu ermitteln. „Besonders wichtig ist die frühzeitige Patientenbeteiligung, um Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Autonomie der Betroffenen zu stärken“, sagt Wiebke Mohr, Doktorandin und verantwortliche Projektkoordinatorin der Untersuchung am DZNE. Die 31-jährige Forscherin ist auch Stiftungsstipendiatin am DZNE – was kein Zufall ist. Neben dem Alzheimer-Forschungspreis vergibt die Breuer-Stiftung seit 2006 bis zu drei Promotionsstipendien jährlich, um auch den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Demenz-Forschung zu fördern. Eines dieser Promotionsstipendien hat dieses Jahr die gebürtige Hamburgerin erhalten. Wer mehr Background von der vom Land Hessen als „Stiftung des Jahres 2016“ ausgezeichnete Breuer-Stiftung erfahren möchte, findet ein Kurz-Portrait hier.

Großer Aufwand, großes Ziel

Mohrs Zielsetzung ist so klar wie Glas: „Hören Sie auf die Stimme der Betroffenen! Ich möchte eine Grundlage bilden, um Patientenpräferenzen zu berücksichtigen und in die Demenzversorgung zu integrieren“, erklärt die Forscherin weiter. Bis aber alle Untersuchungs-Ergebnisse vorliegen, steht Mohr und Ihrem Team noch viel Arbeit vor der Tür. Denn der Fahrplan der DZNE-Studie hat’s in sich. Grob zusammengefasst stehen zuerst Einzelinterviews mit Menschen mit Demenz und deren Angehörig*innen im Rahmen einer Vorstudie sowie im Rahmen eines ersten Tests des Messinstrumentes auf dem Plan. Basierend auf diesen Ergebnissen soll ein finaler Fragebogen zur Präferenzermittlung entwickelt werden. Dieser wiederum soll mit den Betroffen und mit den behandelnden Ärzte*innen durchgeführt werden, um die Übereinstimmung der Versorgungspräferenzen von Patient*innen und Ärzte*innen zu untersuchen. Hierbei werden die Präferenzen der Patient*innen anhand der wissenschaftlichen Methode des „Analytic Hierarchy Process (AHP)“ ermittelt. Eine Methode die komplexe Entscheidungen in Hierarchien, bestehend aus Eigenschaften und Ausprägungen des Entscheidungsgegenstandes, unterteilt. Auf der Projektseite des DZNE finden sich genauerer Details zum Ablauf der Studie. „Wir hoffen, dass das in der PreDemCare-Studie entwickelte Präferenz-Messinstrument in der Zukunft Hilfestellung leisten kann, die Beziehung und Kommunikation zwischen Ärzte*innen und Menschen mit Demenz zu verbessern“, heißt es abschließend. Kein leichtes Unterfangen, da mitunter die Kommunikation mit Demenzerkrankten einem Eintauchen in eine völlig andere Welt gleicht.

Zahl der Demenzerkrankten nimmt zu

Die Sorge davor, nach und nach kognitiven Fähigkeiten einzubüßen, umtreibt viele Menschen. Und das nicht ohne Grund, denn die Zahlen dazu sehen entmutigend aus: Laut Erhebung der Deutschen Alzheimer Gesellschaft leben in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen mit Demenz. Die meisten von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Tag für Tag treten im Schnitt etwa 900 Neuerkrankungen auf. Sie summieren sich im Lauf eines Jahres auf mehr als 300.000. Sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt, wird sich nach unterschiedlichen Vorausberechnungen der Bevölkerungsentwicklung die Krankenzahl bis zum Jahr 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen erhöhen. Dies entspricht den Angaben zufolge einem mittleren Anstieg der Zahl der Erkrankten um 25.000 bis 40.000 pro Jahr oder um 70 bis 110 pro Tag.

Begegnung mit gegenseitiger Dankbarkeit

Diesem dramatischen Anstieg der Demenzerkrankungen will die Breuer-Stiftung entgegenwirken. Das hat sie sich sehr deutlich auf die Fahne geschrieben. „Denn die Alzheimer-Erkrankung kann nur durch aktive Forschung und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse verstanden – und letztlich auch besiegt werden“, lautet eines der Ziele der Stiftung. Solange es aber noch keine zweifelsfreie Wunderpille für Demenzpatienten gibt, sollte Betroffenen eine würdige Versorgung bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Dieses elementare Kriterium moralischen Handelns kann allerdings nur derjenige im alltäglichen Umgang und Pflege mit Demenzkranken berücksichtigen, der dessen Bedürfnisse, Wünsche und Präferenzen genau kennt und diese bei der Versorgungsentscheidungen zu berücksichtigen weiß. Dann ist die Pflege mit demenziell Erkrankten nicht Last, sondern eine zwischenmenschliche Begegnung mit gegenseitiger Dankbarkeit. (DE)

Hans und Ilse Breuer-Stiftung
Goethestraße 26
60313 Frankfurt am Main
Tel: 069 / 298 019 40
E-Mail: info@breuerstiftung.de

Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)
Ellernholzstraße 1-2
17489 Greifswald
Tel: 03834 / 861 956 0
E-Mail: kerstin.wernecke@dzne.de

Gefördert aus Mitteln der Stadt und des Jobcenters Frankfurt am Main.

 

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